Wir waren dann mal weg…

Hier geht’s zum Tagebuch


.

Tag 08 - 14.06.2014: Triacastela - Samos - Sarria

14. Juni 2014
8. Tag – 7. Etappe
Triacastela > Samos > Sarria – 25,5km


Wir sind um sieben in Richtung Sarria gestartet. Für heute hatten wir entschieden, den angenehmen Umweg über Samos zu nehmen, da diese Strecke als besonders schön beschrieben wird und man Samos einfach gesehen haben sollte. Tilo hatte eine unruhige Nacht hinter sich, da er über Eck, Kopf an Kopf, neben einer laut schnarchenden Mexikanerin gelegen hat.
Ich sitze jetzt bei herrlichen 30°C im Garten unserer Herberge in Sarria und schreibe wieder. Es war ein schöner Tag. Das Ziel, den gestrigen einfach abzuhaken habe ich direkt nach unserem Start erreicht. Haken dran und gut. Aber wie immer: von vorn….

Am Ortsausgang von Triacastela ging es in zwei Richtungen weiter. Der eine Weg, direkt nach Sarria mit nur 20 km war uns einfach zu kurz. Da wir aber sowieso nach Samos wollten, nahmen wir den anderen, der uns am Ende des Tages nach 25,5 km auch nach Sarria führen sollte.
Wir hatten uns am Vorabend von Regina verabschiedet und uns für den kommenden Freitag um 19:00 Uhr zum großen Pilgergottesdienst in der Kathedrale von Santiago verabredet. (Anm.: Das hat nicht geklappt! Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt!)

Es war eine wunderbare Etappe nach Samos. Die Natur ist hier so unverändert, als wenn die Zeit vor hunderten von Jahren stehengeblieben ist. Wir gingen durch unendliche, dicht bewachsene, Wälder, liefen auf alten Hohlwegen, die an manchen Stelle bis zu zwei Meter tief ausgetretenen waren. Am Wegesrand wuchs wieder viel Fingerhut, in den verschiedensten Farben. Und es war still, herrlich still. Heute waren scheinbar nur wenige Pilger auf diesem Weg unterwegs, so dass wir stellenweise über Kilometer allein waren. Hier und da standen alte Bauten im Wald, die eindeutig seit vielen Jahren unbewohnt waren. Man fühlte sich irgendwie zeitlos. Bisher zeigt sich die Natur auf jeder Etappe von einer anderen Seite. Wir hatten alles dabei: steppenartige unendlichen Weiten, steile Auf- und Abstiegen, Hohlwegen, tiefen Wälder, Bergketten und auch absolut urbanen Landstraßen. Jeder Tag war bisher anders.
Nach ungefähr zwei Stunden konnten wir das Kloster Samos im Tal liegen sehen. Es ist wirklich imposant, wie die riesige Klosteranlage dort ganz still am Ufer eines Flusses zu sehen ist. Rund 1500 Jahre ist das Kloster alt. Der eigentliche Ort Samos, wurde um das Kloster herum gebaut. Im Mittelalter pilgerten viele Leprakranke nach Samos um dort geheilt zu werden. Somit geht es also kaum historischer, als einen Weg zu gehen, der seit mehr als 1500 Jahren genutzt wird. Wie ich erfahre, sind große Teile des Klosters um 1950 abgebrannt, als beim Schnapsbrennen ein Tank mit Alkohol Feuer fing.
In Samos angekommen suchten wir uns erst mal etwas zum Frühstücken. Eine kleine Bar hatte schon offen und so gab es den ersten Cafe con Leche des Tages. Es war mittlerweile halb zehn und so wurde es auch Zeit für einen kleinen Koffeinschub. Jetzt habe ich erst mal ein paar Minuten mit der Heimat telefoniert. Das tat gut. Nach einer kurzen Klosterbesichtigung wollten wir eigentlich weiter ziehen, als, wie aus dem Nichts, Alexis und Fabian über die Brücke und direkt auf uns zu kamen. Als Sie uns entdeckt hatten, war die Freude wiedermal groß. Nach ein paar Fotos verabredeten auch wir uns mit Ihnen zum großen pilgergottesdienst, am Freitagabend in Santiago. Mal schauen ob wir uns wieder sehen. Die Beiden sind so witzig. (Anm.: Und wieder kommt es anders als man denkt.)

Weiter ging es in Richtung Sarria. Wieder war führte uns der Weg durch herrliche Wälder, was bei den heutigen Temperaturen auch gut war.  An einem Baum hing ein Zettel auf dem Stand: „Better to walk with a broken leg, than a broken heart.“, „Es ist besser mit einem gebrochenen Bein zu laufen, als mit einem gebrochenen Herzen.“. Wenn ich die gestrige Etappe mit der heutigen vergleiche, dann passte das sehr gut. Ich war mit mir im Reinen und konnte den Weg wieder genießen.
Wir wollten heute eigentlich kurz vor oder nach Sarria übernachten, da es in Sarria selbst, sehr voll sein soll und wir eigentlich keine Lust auf eine anstrengende Bettensuche hatte. Sarria ist der Ort kurz vor dem 100-km-Stein. Der letzte größere Ort vor dem Beginn der Pflichtstrecke um in Santiago die begehrte Compostela zu bekommen und als Pilger anerkannt zu werden. Und somit starten in Sarria dann auch die Bus- und Touristenpilger, die also nur mal schnell die Pflicht erfüllen und die kürzest mögliche Strecke laufen wollen. Wir hörten von einer Herberge kurz vor Sarria, die sehr schön sein soll. Und so hatten wir ein  Ziel. Als wir kurz vor Sarria aus den Wäldern herauskamen, fanden wir auch schon die ersten Hinweise auf unser ausgewähltes Quartier, was wir auch kurz danach entdeckten. „Think Pink“! Das Gebäude sah aus wie einer „Puder-Rosa-Ranch“. Ein lustiger Anblick. Alles Rosa. Ein freistehender Flachbau mit einem großen Garten rund herum. Es wirkte wie eine Wellness-Oase. Da wir schon ein paar Leute auf Liegen im Garten liegen sahen, gaben wir Gas, denn hinter uns kamen schon die nächsten Pilger. An der Rezeption angekommen hörten wir aber das, was wir eigentlich nicht hören wollten: „Completo!“. Schade! Aber wir bekamen wenigstens einen Tip für eine Herberge in Sarria. Das war uns auch ganz Recht, denn wir wollten den Tag heute entspannt ausklingen lassen und doch nicht mehr bis hinter Sarria laufen. Als Joker könnten wir immer noch durch Sarria in den nächsten Ort laufen.

Als wir nach Sarria hinein kamen, vergrößerte sich auch, wie befürchtet, der Pilgerstrom. Hinter uns, vor uns und auf der anderen Straßenseite, es war einige Pilger unterwegs. Die befürchtete Jagd nach dem Bett war eröffnet, und das, obwohl es erst kurz vor Zwei war. Also hieß es für uns „Hopp oder Top“, wenn es in der empfohlenen Herberge nicht klappt, laufen wir durch bis zum nächsten Ort. Dann würden wir ab morgen so zu sagen „Antiyklisch“ vor den anderen Pilgern herlaufen.
Um Punkt Zwei standen wir dann an der empfohlenen Herberge. „Albergue a Pedra“ war der Name. Eine private Herberge in einem äußerlich ganz normalen Mehrfamilien-Wohnhaus, direkt an der Straße. Die Wirte waren ein junges Ehepaar, die direkt neben der Herberge noch ein Pension und daneben ein Restaurant betrieben. Ich fragte den Wirt, ob sie noch etwas frei hätten, was er bejahte. Dann wollte ich gleich bezahlen, denn was ich habe, das habe ich. Er antwortete mir ganz entspannt: „Stop! First come in. Look around. Take a shower. Go to the garden and relax. Later you can come to the bar and can take a coffee. And then you can pay. We have time.“. Zu gut deutsch gesagt: „Komm erst mal rein und schau Dich um. Dann ruh Dich aus. Später kommst du rüber, trinkst einen Kaffee und bezahlst. Wir haben Zeit.“. 

Er zeigte uns das Haus und erklärte uns alles. Unser helles Zimmer hatte nur zwei Doppelstock-Betten, das wir mit einem älteren englischen Ehepaar teilten, mit dem wir dann auch gleich ins Gespräch kamen. In der Herberge war alles sehr ordentlich und sauber. Hinter dem Haus befand sich ein schöner Garten mit einigen Sitzmöglichkeiten. Im Erdgeschoß befinden sich die kleine Küche und eine Waschmaschine. Wir sind wiedermal Happy. Und da es noch so schön früh ist, erklären wir den Tag zum Waschtag. So warfen wir unsere kompletten Sachen in die Waschmaschine und gingen dann kurz in die Stadt um die Haushaltskasse aufzufüllen. Lebensmittel kauften wir heute nicht mehr ein, da wir uns entschieden hatten, heute im Restaurant der Herberge zu essen.
Nun sitzen wir im Garten der Herberge und genießen bei einem kühlen Pils den Nachmittag. Die Wäsche ist aufgehängt und gleich trocken. Wir werden gleich zum Abendessen rüber gehen.

Nun ist es schon halb elf und wir liegen im Bett. Bevor wir zum Essen sind, haben wir noch die Wäsche abgenommen und wieder verpackt. Der Rucksack platzt jetzt wieder aus allen Nähte, denn die frische gewaschenen Sachen haben ein größeres Volumen als vorher.

Es war wiedermal ein sehr schöner Abend. Das Essen war super und der Wein auch. Die Gruppe zum Essen war groß und bestand aus Pilgern und Einheimischen. Wir haben Gerhard, Klaus und Andreas, drei Herren aus der Nähe von Giessen kennengelernt. Sie wander bzw. pilgern jedes Jahr zusammen. Einer von Ihnen kommt aus einer ähnlichen Branche wie ich. Mal sehen, ob man sich da nicht mal wieder sieht. Nach dem Essen machten wir noch ein paar Fotos, unter anderem auch mit unseren „Herbergseltern“. Später kam der Wirt dann mit einem einheimischen „etwas hochprozentigen“ Getränk rum und spendierte noch die eine oder andere Runde, so dass ich jetzt recht schläfrig bin. ;-)

Es war ein guter Tag! Gute Nacht!


Fazit: Immer wieder anders, immer wieder neu!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.