Wir waren dann mal weg…

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Tag 17 - 23.06.2014: Madrid - Berlin - Haustür

23. Juni 2014
17. Tag
Madrid - Berlin - Haustür


Kurz vor Madrid bin ich wach geworden. Der Zug kam pünktlich in Chamartin an und so erreichten wir die geplante Verbindung zum Flughafen gut.

Wir sitzen jetzt in der Halle des Flughafens. Bis zum Check-In möchte ich die Zeit nutzen, um nochmal kurz zurück zu blicken und ein paar Dinge aufzuschreiben, die irgendwie noch nicht genannt wurdn, oder die ich nochmal betonen möchte.

Die Pilger
Wir haben die unterschiedlichsten Typen kennengelernt. Wir haben die kennengelernt, die aus tiefstem religiösen Glauben pilgern, die, die aus Spaß an der Freude immer wieder pilgern, die, die günstig Urlaub machen wollen, die, die nach der Schule die Zeit bis zum Studium nutzen wollen, die, die es einfach nur mal ausprobieren wollen und viele andere mehr. Du triffst sie alle. Egal ob Polizist, 68er Aussteiger, Bänker, Hausfrau, Priester, Student oder Familie, jeder hat seinen eigenen Grund diesen Weg zu gehen. Alle haben das gleiche Ziel, nur die Art und Weise dieses Ziel zu erreichen, ist manchmal unterschiedlich.

Die Spanier
Sie sind nett, sehr nett, sowie freundlich und zuvorkommend. Teilweise sind sie aber auch oberflächlich, und, sie sind schmerzfreie Autofahrer, was den Umgang mit Pilgern angeht. Sie haben den Kommerz des Camino und das ist auch gut so. Warum sollen sie das gegebene nicht auch für sich nutzen.
Außerhalb der großen Städte herrscht eine teilweise sichtbare Armut. Oder ist es Bescheidenheit? Die Menschen dort haben nicht viel, sind aber glücklich mit dem was sie haben. Auch Ihnen gibt der Weg. Er gibt Ihnen den Lebensunterhalt. So wie die alte Frau, irgendwo im nirgendwo, die täglich für eine kleine Spende, Pfannkuchen an die Pilger verteilt. Andernorts sieht man große Grundstücke, die durch hochwertige massive Eisentore geschützt sind, und von strahlend weißen Mauern umgeben. Jedoch dahinter ist nichts, gar nichts. Man merkt, dass es diesem Land einige Jahre nicht sehr gut ging. Aber egal, denn die Spanier sind für mich großartiges Menschen in einem wunderschönen Land!

Sprache
Als Pilger musst du Multilingual sein, denn die Spanier, auch die jungen, sprechen kein Englisch. Sie lieben Ihre Heimat und auch Ihre Sprache. Auch ein Zeichen von Nationalstolz. Also hieß es, schnell die wichtigsten Worte lernen. Unter Pilgern spricht man englisch und das tat mir gut, denn so konnte ich von einigen irgendwann mal gelernten Vokabeln, die Staubschicht wischen.

Schuhe
Meine „Merrel“ waren der beste Kauf meines Lebens. Erst am letzten Tag ist mir eine Führungsöse gerissen. Ich hatte keinerlei Probleme. Diese Schuhe bekommen einen Ehrenplatz!





Stöcke
Ich hatte lange überlegt, ob ich Wanderstöcke mitnehme. Aber es war gut so. Hätte ich sie vor dem Abstieg nach Ponferrada schon eingesetzt, hätte ich vielleicht keine Probleme mit dem Knie bekommen.

Die Nationen
Wir haben Menschen aus aller Herren Länder kennengelernt. Unter anderem aus Japan der junge Mann in Portomarin der die Origamis gefaltet hat. Koreaner, mit denen ich ihr Nationalgericht gegessen habe. Pilger aus China, Neuseeland, den USA, natürlich aus Spanien, Italien und Deutschland. Ein paar aus Polen, Estland, Kanada, den Niederlanden Tschechien und Polen, England, Frankreich, der Schweiz und Österreich. Jeder mit dem gleichen Ziel. Alle vereint der Weg nach Santiago de Compostela.
Die Natur
Herrlich! Pinienwälder, Eukalyptuswälder, Olivenhaine und Weinberge. Unmengen an Schmetterlingen und wilder Fingerhut. Schneebedeckter Gipfel am Horizont. Manchmal einfach nur Pampa. Uralte Wege durch noch ältere Wälder. Jeden Tag anders und jeden Tag schön.

Lieder
Ich hatte drei Lieder auf dem Weg, die mir immer wieder eingefallen sind.
„Imagine“, „We are the world“ und „Father and son“

Die Flüge
Sehr angenehm und ruhig. Air Berlin, gerne wieder.

Mein Hut
Mindestens so wichtig wie die Stöcker. Er ist mit mir ganz entspannt, auch bei 40°C weiter gelaufen. Er hat mich gekühlt und mich geschützt. Als Dank hat er jeden Tag einen Pin oder eine Blume bekommen, die ich an ihn gehängt habe.

Die Kirchen
Gerade auf dem Land gibt es viele kleine Kirchen, die prächtig aber doch bescheiden eingerichtet sind. Sie sind einfach schön und immer wieder ein Ort, um sich einen Moment zu erholen. Man verzichtet auf Prunk und besinnt sich auf die Wurzeln des Glaubens.

Tränen
Jeder heult auf diesem Weg! Jeder!

Spirit of Camino
Es gibt ihn, den Geist des Camino! Fertig aus! Mehr kann man dazu nicht sagen.

Eingecheckt haben wir, sitzen im Flieger und der wird hoffentlich gleich starten.
Ich schreibe jetzt die letzten Zeilen dieses Tagebuches. Eine Geschichte, die man nur einmal erlebt und die sich nie wieder widerholt. In wenigen Stunden bin ich wieder zu Hause und ja, ich freue mich sehr darauf, meine Mädels in die Arme zu schließen. Ich bin mir sicher, dass ich viele Details vergessen habe. Es ist so viel geschehen, dass man es eigentlich auch nicht in Worte fassen kann und das ist auch gut so. Ja, es gibt ihn den „Spirit of Camino“. Wir haben diese Worte auf unserer ersten Etappe gesagt bekommen und sie haben uns die ganze Zeit begleitet. Was der Spirit ist, muss jeder für sich wissen und wird es auch wissen. Man muss es nur wollen. Und um auf die Frage des „Warum?“ zurück zu kommen, „Ja“ ich weiß jetzt warum. Aber nur ich. Ich habe mir diese Frage vor Jahren schon gestellt und habe die Antwort gefunden. Jeder, der sich auf den Weg nach Santiago de Compostela macht, hat eine Frage auf die er eine Antwort sucht. Und er wird die Antwort finden. Ich habe unterwegs viel gelernt und wenn es nur ist, wie minimalistisch man leben kann und wie wenig man eigentlich für sich braucht. Ich habe Freunde gefunden und aus uns zwei guten Freunden sind zwei sehr gute Freunde geworden. Ich bin dankbar für jeden Tag, jeden Kilometer, jeden Augenblick, bin glücklich und zufrieden. Alles ist gut so wie es ist.

Und jetzt heißt es: Willkommen im wahren Leben. Ich hoffe, dass mir der Spirit of Camino mir noch lange erhalten bleibt! Eines weiß ich aber schon heute: Ich komme wieder! Wann es soweit ist, weiß ich jetzt noch nicht. Aber wie heißt es so schön: Der Weg wird mich rufen!

Und da erinnere ich mich an das Gedicht, welches ich das erste Mal in einem Tunnel, kurz vor Santiago, gelesen habe. Dort hatte es jemand an die Wand geschrieben:

Staub, Schlamm, Sonne und Regen, das ist der Weg nach Santiago.
Tausende von Pilgern und mehr als tausend Jahre.

Pilger, wer ruft dich? Welche geheime Macht lockt dich an?
Weder ist es der Sternenhimmel, noch sind es die großen Kathedralen.

Weder ist es die Tapferkeit Navarras,noch der Rioja-Wein.
Nicht die Meeresfrüchte Galiziens und auch nicht die kastilischen Felder.

Pilger, wer ruft Dich? Welche geheime Macht lockt dich an?
Weder sind es die Leute unterwegs, noch die ländlichen Bräuche.

Weder Kultur und Geschichte, noch die Hühner von Santo Domingo de la Calzada,
weder der Palast von Gaudí, noch das Schloss Ponferradas.

All dies sehe ich im Vorübergehen und es ist ein Genuss das alles zu sehen,
doch die Stimme, die mich ruft, höre ich noch tiefer in mir.

Die Kraft, die mich anschiebt, die Kraft, die mich anlockt,
 weiß ich mir nicht zu erklären. Nur er dort oben weiß es!

Padre Don Eugenio Garibay Baño

Fazit der Reise: „Der Weg gibt und der Weg nimmt!“




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